Tätigkeit als Übungsleiter*in

2. Die Rolle der ehrenamtlichen Helfer*innen

2.4. Freundschaft oder Liebesbeziehung und persönliche Assistenz


In Freundschaften und Liebesbeziehungen wird die Abgrenzung zum bestehenden Arbeitsverhältnis sehr erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. In einer Freundschaft oder Partnerschaft sollten gleichberechtigte Verhältnisse existieren. So wird versucht die Bedürfnisse beider Seiten miteinander zu berücksichtigen, es werden Kompromisse geschlossen.

In der persönlichen Assistenz, in der/ die Assistenznehmer*in ihre Bedürfnisse ausschließlich durch die ausführende Tätigkeit der persönlichen Assistenz befriedigen kann, könnte dies bedeuten, dass für die Wahrung der Harmonie an der Qualität der persönlichen Assistenz Abstriche gemacht werden müssen. Existiert das Freundschaftsverhältnis schon vor dem Arbeitsverhältnis, gibt es bereits eine gemeinsame Vorgeschichte mit anderer Rollenverteilung und Vertrautheiten, die es zwischen Arbeitnehmer*in und persönlicher Assistenz zunächst nicht gibt. Es wird schwer sein, sich auf eine Arbeitsebene zu begeben, auf der die freundschaftlichen Gefühle eine untergeordnete Rolle spielen, waren sie doch bisher bedeutsam für das Zusammensein. In noch stärkerem Maße gilt dies für eine/n Beziehungspartner*in, der/die zur persönlichen Assistenz wird. Auch hier gibt es eine gemeinsam erlebte Zeit vor dem Arbeitsverhältnis, in der die gemeinsame Liebe und die Partnerschaft mit all ihren Aspekten vorrangig war. In einem Arbeitsverhältnis muss vieles daraus in den Hintergrund treten, um Platz für die speziellen individuellen Bedürfnisse der/des Assistenznehmer*in zu machen. Innerhalb einer Liebesbeziehung kommt zu dieser Abgrenzungsproblematik ein größerer emotionaler Anteil hinzu, welcher z.B. das sensible Feld der Körperlichkeit der persönlichen Assistenz bei Körperpflege und der Sexualität beinhaltet. Hier wird es schwer sein, zu bestimmten Zeiten ein Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten und zu anderen Zeiten eine Liebesbeziehung zu leben.

Beides kann zunächst einmal das Verhältnis zwischen Assistenznehmer*in und persönlicher Assistenz auf einer emotionalen Ebene bereichern. Es ist natürlich schön, wenn das Verhältnis harmonisch ist, wenn es ähnliche Interessen gibt oder die Zusammenarbeit auf der Ebene einer gewissen Zuneigung stattfindet und den beteiligten Personen dadurch einen besonderen Wert verleiht.

Das gilt für Freundschaften und im besonderen Maße für Liebesbeziehungen. Problematisch wird es dann, wenn die emotionale Beziehung die persönliche Assistenz an sich, als weisungsgebundene Ausführung von Tätigkeiten, die sich nach den Bedürfnissen der/des Assistenznehmer*in richtet, unmöglich macht. Enge emotionale Bindung kann Barrieren schaffen, bestimmte Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, z.B. um nicht zur Last fallen zu wollen oder um gefallen zu wollen. Andere Gründe können in Verlustängsten und emotionalen Abhängigkeitsgefühlen liegen. Ist die Freundschaft in einer negativen Phase oder die Liebesbeziehung steckt in einer Krise, ist ein objektiver, offener und achtsamer Umgang eventuell nicht mehr möglich. Es ist demütigend und fast unmöglich nach einem Streit mit Kränkung und Vorwürfen den/die Partner*in, der/die in diesem Moment die persönliche Assistenz ist, darum zu bitten, auf die Toilette zu helfen. Ebenfalls kann eine Äußerung über die Unzufriedenheit mit der Arbeit auch als persönliche Kränkung verstanden und Unsicherheiten in Bezug auf die Freundschaft aufkommen lassen oder zu einer Krise in der Partnerschaft führen.

Wenn die Grenzen verschwimmen, muss es zunächst eine Wahrnehmung dafür geben. Oft äußert sich solch eine Situation zunächst in einem Gefühl von Verwirrung, Unsicherheit, Enttäuschung und Selbstzweifeln. Hier sind Beratungs- und Schulungsangebote sowohl für den/die Assistenznehmer*in als auch für die persönliche Assistenz von großer Bedeutung. Sie ermöglichen es, unter Anleitung bestehende Strukturen anzuschauen, zu reflektieren und Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Besonders schwierig ist die Situation, wenn das Bedürfnis nach intensiver Nähe und Vertrautheit nur noch von einer Seite verspürt wird. Aber auch dann ist es wichtig, diese Gefühle und Wünsche ernst zu nehmen und die Situation anzusprechen, denn sonst könnten durch solche unterdrückten „Geheimnisse“ große Belastungen innerhalb der persönlichen Assistenz auftreten.

Es sollte nicht ausgeschlossen werden, dass die Verknüpfung von Freundschaft und Liebesbeziehung mit einem Arbeitsverhältnis im Rahmen von persönlicher Assistenz funktionieren kann. Aber es ist sicherlich nicht einfach und verlangt von beiden Seiten ein hohes Maß an Klarheit und Sicherheit im Umgang mit der eigenen Rolle, mit den eigenen Bedürfnissen und Grenzen. Es erfordert Reflektion, Distanz und Disziplin, um diesen ständigen Rollenwechsel hinzubekommen.